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Auszug aus dem Kapitel "Dunkelheit"
Gerrit glaubte, sterben zu müssen. Zu beißend war
diese bittere Kälte. Er zitterte und fühlte sich so elend wie nie zuvor in
seinem Leben. Erst jetzt bemerkte er, dass er seine Hand, ja seinen Körper
bewegen konnte. Er griff zu, spürte piepsende Halme zwischen seinen Fingern.
Stroh! Er musste wieder in seiner Gefängniszelle sein. Er wollte seine Lippen
befeuchten, doch selbst sein Hals schmerzte beim Schlucken. Um sich aufzusetzen
und von der Wand das Wasser aufzulecken, war diese Kälte noch zu schmerzhaft.
Jede kleine Bewegung kostete sehr viel Kraft. Gerrit war zu müde, zu erschöpft.
Er versuchte zu schlafen, wurde mehrmals von seinem eigenen Zittern in die
Wirklichkeit gerissen. Vamuns Tortur hatte er mindestens drei Mal
durchgestanden, aber seine Empfindungen waren nicht mehr einzuordnen. In einem
Moment kam es ihm vor, als sei er vielleicht nur einen Tag im Verlies, im
nächsten Augenblick schien es ihm wie die Unendlichkeit. Lag er horizontal oder
stand er an der Wand? Sein Kopf fühlte sich winzig an, gleichzeitig riesig, als
würde er sofort zerplatzen. Er meinte seine Hände seien auf die doppelte Größe
angeschwollen, sein Bauch sei aufgebläht und das Luftholen strengte ihn an.
Unter diesen Umständen gelang es ihm nicht, sich auf den Mond zu konzentrieren
und damit dieser körperlichen Ebene zu entfliehen.
Der Riegel oben an der Tür, sowie die sich nähernde
Schritte unterbrachen diese Stille. Gerrit öffnete die Augen, erwartete den
heller werdenden Lichtschein. Doch es war noch immer dunkel. Kam Vamun ohne
Fackel hier herunter?
„Wie geht es dem kleinen Gerrit?“ Vamun klang
merkwürdig. Noch konnte Gerrit diesen Tonfall nicht zuordnen. Deutlich spürte
er seine offenstehenden Augen und noch eindeutiger lauschte er dem Knistern der
Fackel, nahm ihren Geruch wahr. Die Erkenntnis, die Gerrit in diesem Augenblick
traf, fühlte sich wie ein stumpfer Dolch in seinem Herzen an. Für den Moment
blieb ihm die Luft weg.
Er setzte sich auf. „Was habt Ihr getan?“
„Ich helfe dir auf den Weg!“ Vamun hörte sich
beinah freundlich an. „Du wirst erst dann wieder sehen, wenn du dich der roten
Kraft gegenüber öffnest. Wir beide werden zusammen sehr mächtig werden. Du hast
noch keine Vorstellung von dem, was dich erwartet. Du beherrschst den weißen,
und wenn du fleißig bist, auch bald die Energie des roten Mondes.“ Ein
unbekannter Klang vom Boden folgte. „Hier vor dem Gitter steht dein Mahl. Pass
auf, dass du es nicht umstößt.“ Vamuns Schritte entfernten sich.
Vamun hatte ihn nicht nur mit diesen verdammten
Steinen gefoltert, er hatte ihm sein Augenlicht genommen. Gerrit standen die
Tränen in den Augen. Diese Strafe hatte er nun wirklich nicht verdient. Nur
weil er noch Zeit mit seinem Meister herausschinden musste, war er jetzt blind.
Vamun sollte der Blitz treffen!
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