21. Oktober 2014

Agoniten - Vorschau

AGONITEN
Schicksal des heiligen Priesters
Selenorischer Roman V

Aufgewachsen im Regenwald muss der junge Elyian gegen seinen Willen die Priesterschule in Pachacamo besuchen. Nach seiner Weihe zum Priester der Baukunst zieht er mit seinem Großvater, einem angesehenen Baumeister, nach Campopamac, um eine Arena für Wettkämpfe zu errichten. Immer wieder offenbaren sich ihm geheimnisvolle Visionen, die er als Quetzal, einem Paradiesvogel aus Guatemala, erlebt. Wie durch ein Wunder überlebt er eine Katastrophe und wird fortan als Heiliger angesehen.

Nach dem Tod seines Großvaters verbringt er viele Monde an der Stätte seines Wirkens, um das gemeinsam begonnene Werk zu vollenden.
Eines Tages muss er gegen einen geheimnisvollen Fremden zu einem Wettkampf der besonderen Art antreten und landet auf dem berüchtigten Opferstuhl der Agoniten.


BEGEGNUNG
Elyian wagte nicht, sich zu bewegen. Die grüne Mamba züngelte mit ihrer Zunge in seine Richtung. Sie hatte ihn bemerkt. Bewegungslos verharrte er in seiner unbequemen Position, seine Hände stemmten sich mit gestreckten Armen auf den dicken Ast, während seine Beine in schwindelnder Höhe in der Luft hingen. Sein leicht nach vorn gebeugter Oberkörper verschaffte ihm den Vorteil, das Gleichgewicht etwas zu verlagern. Doch seine Kraft ließ schon merklich nach. In diesem Atemzug schien ihm das Zirpen der Grillen wie ein Hohngelächter. Lange konnte er in dieser Stellung nicht mehr ausharren. Augenblicklich hielt Elyian den Atem an, als das Reptil sich über seine linke Hand schlängelte. Ihr Kopf, damit ihre gefährlichen Giftzähne, entfernte sich weiter über kleinere Äste auf einen benachbarten Baum. Noch einen Moment wartete er, bis seine Arme vor Anstrengung zu zerreißen drohten. Tief einatmend schwang er das rechte Bein über den Ast, rutschte ein Stück zurück und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm. Das war knapp!

Mit einem Gefühl des Stolzes strich er wohl zum hundertsten Mal über seine neue Hose. Herrlich geschmeidig fühlte sie sich an. Erst kürzlich hatte er eine Würgeschlange erlegt und ihr die Haut abgezogen. Seine Mutter hatte ihm daraus eine Hose genäht und sie am Abend zuvor fertiggestellt. Elyian schloss die Augen. Auch am Vortag hatte er zum wiederholten Male einen Versuch gestartet, sie über seinen Vater auszuhorchen. Elyian wusste weder seinen Namen noch wie er ausgesehen hatte. Warum sie wohl nie über ihn reden wollte? Womöglich war er ein schlechter Mann und Mutter sehnte sich danach, ihn zu vergessen, was er durch seine Fragen verhinderte. Vielleicht war er gestorben und Mutter schmerzte sein Verlust. Welche Möglichkeiten ihm in den Sinn kamen, er konnte nur vermuten, weshalb seine Mutter dieses Thema mied.
Ein süßlicher Duft stieg Elyian in die Nase. Fast ein wenig betörend roch es. Er öffnete die Augen und schaute sich um. Drei Bäume weiter entdeckte er die große, weiße Blüte einer Bromelie. Zwei Kolibris schienen darüber zu schweben. Elyian erkannte nicht die einzelnen flinken Flügelschläge der kleinen Vögel, die es ihnen ermöglichten, auf der Stelle zu fliegen. Während er sie beobachtete, fiel ihm die Erzählung des alten Mannes aus dem Dorf ein.
»Dieser Krieger war so gewandt, dass seine Gegner seinen Bewegungen kaum folgen konnten. Wie ein Kolibri fliegt, so behände reagierte er und erledigte einen nach dem anderen. Sein Sieg im Agon brachte seiner Familie hohes Ansehen.«
Zu gern hätte Elyian die Kriegsschule besucht, um auch ein angesehener Krieger zu werden, doch dafür müsste er seinem Zuhause den Rücken kehren. Als der Wind das Blätterdach hin und her wiegte, blendeten ihn vereinzelte Sonnenstrahlen; das holte ihn wieder in die Gegenwart zurück. Hier oben in den Baumkronen vergaß er oft die Zeit. Jetzt sollte er sich beeilen, nach Hause zu kommen. Mutter mochte es nicht, wenn sie auf ihn wartete. Zügig kletterte er den Baum hinunter und rannte den schmalen Pfad zurück. Gelegentlich sprang er über dicke Äste, die über seinem Weg hingen. Dabei fühlte er sich so lebendig, so glücklich. Auf der Lichtung blieb er kurz stehen. Der Anblick des heimischen Strandes, der am Fuß des dicht bewachsenen Berges vor ihm lag, überwältigte ihn wie jedes Mal. Nach seinem Empfinden zählte er zu den schönsten Orten zwischen dem weißem und rotem Mond. Niemals wollte er diesen Ort vergessen. Dieser Gedanke stimmte ihn nachdenklich. Solange er sich erinnern konnte, lebte er hier mit seiner Mutter. Es gab keinen Grund fortzugehen, zumal seine Mutter ihn ohnehin nicht zur Kriegsschule schicken würde.
Plötzlich hielt er inne. Fußspuren führten durch den weißen Sand zur vertrauten Bambushütte, die nah am Ufer auf Pfählen gebaut war. Eindeutig handelte es sich um große, mit Ledersohlen bedeckte Füße. Gehörten die Spuren einem Krieger oder gar seinem unbekannten Vater? Elyian spürte sein Herz schneller schlagen. Langsam, mit einem heftigen Kribbeln im Bauch, ging er auf die Hütte zu und stieg die kleine Leiter nach oben. Er sah seine Mutter, wie sie sich mit einem Mann unterhielt. Sie bemerkte Elyian nicht.
»Seit jeher habt Ihr Euch den heimischen Bräuchen entsagt ...«
»Aber, Esra!« Energisch fuhr der Fremde ihr ins Wort. Er stand mit dem Rücken zum Eingang. Elyian sah nur sein braunes Gewand und seine grauen, struppigen Haare.
»Ich würde heute nicht vor Euch stehen, wenn Ihr Euch allem gebeugt hättet.«
Elyian war inzwischen hinter den Mann getreten, erst jetzt sah Esra auf. Sie riss ihre Augen auf, als habe sie mit seinem Erscheinen nicht gerechnet.
»Mutter, wer ist das?« Dieser schlanke Fremde wirkte seiner Mutter gegenüber sehr vertraut, dabei hatte er sich seinen Vater wesentlich jünger vorgestellt. Der Unbekannte drehte sich um und musterte ihn von oben bis unten. Er war einen Kopf größer als Elyian.
»Geh fischen, Elyian.« Ihre Stimme zitterte auffallend.
»Aber, Mutter, ich …«
»Geh, Elyian!«, zischte Esra energisch. Elyian gehorchte. Der ungewöhnlich barsche Ton seiner sonst so liebevollen Mutter verunsicherte ihn. Wer konnte dieser Fremde sein, wenn nicht sein Vater? Für Elyian war sein Vater wie ein geheimnisvoller Mythos. Das Erscheinen dieses Fremden und das Verhalten seiner Mutter warfen nicht nur viele Fragen, sondern auch Angst und Sorge auf. Deshalb versteckte sich Elyian im Buschwerk dicht bei der Hütte, um zu lauschen.
»Warum schickst du ihn fort?«, hörte Elyian den Mann nach einem Moment der Stille.
»Ihr befindet Euch im Irrtum. Eure Vermutung ist trügerisch.« Die letzten Worte flüsterte sie nur noch.
»Wegen ihm bis du fortgegangen?« Seine Stimme klang, als habe er einen Verdacht. »Hast du etwa geglaubt, ich würde dich verstoßen?«
»Vater, bitte!« Seine Mutter bezeichnete den Fremden als Vater? Dieser Unbekannte war also sein Großvater und nicht sein Vater, wie er anfangs vermutet hatte. Elyian schloss seinen Mund und schluckte.

12. Oktober 2014

Drachenseele

Ein herzliches Dankeschön an meine Leser von Drachenseele!
Inzwischen sich 72 Rezensionen zusammengekommen.


Auszug:

Unterwegs auf dem Fußweg zur Bahn bemerkte Marcus seine zittrigen Knie ebenso wie den leichten Schwindel. Nachher im Flugzeug konnte er sich ausruhen, jetzt durfte er nicht trödeln, sonst verpasste er am Ende noch seinen Flug.


Wenn er nur halb so elend aussah wie er sich fühlte, musste er geisterhaft auf andere wirken. Es verwunderte ihn deshalb nicht, wie die vorbeilaufenden Passanten ihn anstarrten. Endlich lag der Bahnhof in Sichtweite. Eine Autohupe in seiner Nähe ließ ihn zusammenzucken. Er ärgerte sich über seine Schreckhaftigkeit und ging umso schneller weiter.
„Marcus?“, hörte er Nicole hinter sich rufen. Er durfte sich nicht umdrehen, sie in ihrer Hoffnung bestärken, denn für einen Wortwechsel war keine Zeit.
„Marcus! So warte doch!“
Nein! Er brachte es nicht übers Herz sie zu ignorieren, also blieb er stehen. Kleine Lichtfunken erschienen vor seinen Augen, verschwanden zum Glück aber schnell. Sein Puls raste. Nicole berührte von hinten seinen rechten Arm, dann ging sie um ihn herum. Ihre Augen wurden immer größer, während sie ihm ins Gesicht sah. „Mein Gott, was tust du hier?“ Sie ergriff seine rechte Hand und zog ihn zur Seite. Am Straßenrand hielt der Wagen von Sven. Marcus konnte durch das spiegelnde Licht der Sonne in der Frontscheibe keinen Fahrer am Steuer erkennen.
„Ich danke dir.“ Er schluckte, versuchte seinem Schwindel, seiner aufkommenden Übelkeit entgegenzuwirken. „Mir läuft die Zeit davon. Ich muss zurück.“
„Zurück? Ich sehe dir doch an, wie schlecht es dir geht, deine glasigen Augen, deine blasse Gesichtsfarbe. Lass mich dir helfen.“
Er riss sich von ihrem Griff los, das kostete Kraft, dabei weniger körperliche. „Nicole!“ Nein! Die Zeit drängte ihn, er musste sich kurz fassen. Er holte Luft. „Tut mir Leid. Ich muss gehen.“ ...



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