27. März 2015

Osterei für Euch

Heute hab ich ein Osterei für Euch:

Fragwürdige Identität Teil 1 gibt es zur Zeit kostenlos:


Tag null

Sein Mund war auffallend trocken. Intensiv kribbelten seine Lippen, was sich anfühlte, als stünden sie unter Strom. Anfangs wurde diese Empfindung stärker, gleichzeitig nahmen auch die heftigen Kopfschmerzen zu. Allmählich ging das Kribbeln zurück und der zunehmende dumpfe Schmerz in seinem Kopf, der durch den Geruch von Desinfektionsmittel noch verstärkt wurde, beendete diesen Dämmerzustand. Ein gedämpftes rhythmisches Piepen drang in sein Bewusstsein. Die bisher langen Pausen dieses Tons verkürzten sich hörbar. Obwohl er wusste, dass hier etwas nicht stimmte, konnte er nicht bestimmen, was es war. Seine Gedanken waren wie vernebelt, als verwehre ihm eine Wand, auf sie zurückzugreifen. Ihm war nicht kalt, dennoch bemerkte er, dass seine Hände stark zitterten. Ein verhaltenes Stöhnen löste sich aus seinem kratzigen Rachen. Er hatte ungeheuren Durst. „Hey?“, sagte eine angenehme Frauenstimme leise, als wollte sie ihn nicht stören. „Mi Amor!“ Eine Hand strich ihm über die Stirn, woraufhin er versuchte, die Augen zu öffnen. „Ich hab ja gesagt, er ist ein Kämpfer!“ Diese dunkle Männerstimme rief ein merkwürdiges Unwohlsein in ihm wach. Er spürte einen zarten Kuss auf seiner Wange. „Sieh mich an, por favor!“ Seine Augenlider waren bleischwer, sie schienen wie zugeklebt. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, sie zu öffnen. Er benötigte einen Augenblick, bis sich sein verschleierter Blick klärte. Große braune Augen strahlten ihn an. „Mi Amor! Wie fühlst du dich?“ Die langen schwarzen Haare der Unbekannten waren elegant nach oben gesteckt. Einige lockige Strähnen hingen ihr ins hübsche Gesicht. Sie lächelte. Er holte Luft, was ausgesprochen anstrengend war. „Wasser, por favor!“ Die Señora griff nach links zum Nachttisch, goss Wasser aus einer Flasche in ein Glas und setzte es ihm an die Lippen. Seine Arme fühlten sich ungewöhnlich schwer an, als er sie hob, um zu trinken. Das Zittern in seinen Händen ließ langsam nach. „Oh, Nicolás!“ Sie nahm ihm das Glas ab und streichelte mit ihrer anderen Hand sanft seine Rechte. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür weckte seine Aufmerksamkeit. Eine Wandleuchte, die seitlich über seinem Bett hing, gab ein angenehm gedämpftes Licht. Schwerfällig richtete er den Blick auf den älteren Señor, der am Bettende stand. Ein jüngerer Señor, circa Mitte dreißig, im weißen Kittel trat nun auf ihn zu. Die hübsche, junge Señora zu seiner Linken ließ seine Hand los und trat zurück. „Da haben wir Sie ja wieder!“, der Arzt musterte intensiv sein Gesicht. Er stellte den Kopfteil des Bettes auf, zog eine kleine Stabtaschenlampe aus seiner Brusttasche und warf ihm einen Lichtschein auf das rechte, dann auf das linke Auge. „Das war knapp, Señor Rodríguez!“ Er wandte sich zu dem älteren Señor um. „Blutzucker und Nierenwerte normalisieren sich langsam. Ich denke, es geht jetzt bergauf.“ ›Señor Rodríguez‹ hatte ihn der Arzt angesprochen. Dieser Name kam ihm auf eine gewisse Art vertraut vor. Dennoch meinte er, dass dies nicht sein Name war. Aber wie hieß er? Weder diese attraktive, junge Dame noch der ältere Señor an seinem Bettende kamen ihm bekannt vor. Ein sonderbares Gefühl von Leere breitete sich mit dieser Überlegung in ihm aus. In seinem Gedächtnis gab es nichts, was vor seinem Erwachen geschehen war. „... ansprechbar ist, würde ich die Infusion nicht weiter fortsetzen. Ich schlage vor, wir konzentrieren uns wieder auf die Physiotherapie, damit er möglichst schnell in seine gewohnte Umgebung kommt.“ Der Arzt sprach offenbar mit dem Älteren, was ihm durch sein intensives Nachdenken entgangen sein musste. „Das wäre nach all den Monaten wirklich das Heilsamste.“ Fieberhaft suchte er nach einem Namen, nach einem Ereignis, nach einer winzig kleinen Erinnerung. Doch sein Kopf war wie leergeräumt. Seine Kopfschmerzen verstärkten sich. Schwerfällig fielen seine Augen zu. Die bleierne Müdigkeit überdeckte sogar das unangenehme Stechen in seinen Beinen, das mit jedem Moment zunahm. „Mi Amor“, klang eine besorgte Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm. „Ich liebe dich, Nicolás.“ Er wusste, dass er gemeint war, doch schien ihm dieser dösende Zustand wie ein mächtiger Sog, der ihn ungewollt in den Schlaf zerrte.


An dieser Stelle ein Herzliches Dankeschön an meine Lektorin, die hier großartige Arbeit leistet:




20. März 2015

Hintergründe zu Recherchen

Während des Schreibens meiner Romane »¿Identität?« und »Fragwürdige Identität« tauchten die kuriosesten Fragen auf.
Nicht immer wird man im Internet fündig.

Um authentisch zu schreiben, worauf ich sehr viel Wert lege, muss man oft viel Zeit investieren, um Antworten zu finden. Mir ist es wichtig, dass der Leser, der zum Beispiel in Bogotá wohnt, die Orte meiner Geschichten wiedererkennt.

Ob die Deutsche Botschaft in Bogotá oder wie kürzlich ein renommierter Rechtsanwalt aus Bogotá von mir angeschrieben wurde, alle haben zeitnah und ausführlich auf meine Fragen geantwortet. Auch große Firmen wie Megawood stellten sich meinen Anfragen. Zum Thema »Bluttransfusion« bekam ich sogar eine Ärztin ans Telefon, die geduldig meine Neugier gestillt hat.


Herzlichen Dank an alle Helfer!


Besonders erwähnen möchte ich eine gute Freundin von mir, die ihr Insulin mal genauer betrachten musste, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es schmeckt (Pfui - scheußlich meinte sie), riecht und sich anfühlt!
Wer den zweiten Teil von »Fragwürdige Identität« lesen wird, hat hoffentlich an der entsprechenden Stelle ein Schmunzeln in Gesicht, weil er die Hintergründe dazu kennt.



3. März 2015

2. Teil - Fragwürdige Identität


Vorschau auf   Teil 2 


Vater

Der Geruch von Benzin und Rauch lag in der Luft. Langsam beruhigte sich der Wellengang, der durch die Explosion ausgelöst worden war. Hektisch schwamm Nicolás suchend zwischen den brennenden Wrackteilen hin und her. Irgendwo mussten Falicia, Juan und die Crew-Mitglieder sein. „Nicolás!“ Jemand fasste ihn am Nacken. „Hier ist niemand mehr, für den du etwas tun könntest.“ Andrés versuchte, ihn aus dem Chaos herauszuziehen. Nicolás befreite sich, „hilf mir suchen!“ Erneut packte Andrés ihn am Arm. „Nicolás! Das hat keiner überlebt!“ „Das kannst du nicht wissen!“ „Sieh dich doch nur um! Du bringst dich sinnlos in Gefahr!“ Andrés‘ Griff wurde fester. „Komm jetzt!“ Energisch schüttelte Nicolás die Hand des Leibwächters seines Vaters ab. „Ich muss Falicia und Juan suchen!“ „Sei vernünftig, Nicolás!“ Andrés ergriff abermals seine Schulter, „du solltest gar nicht hier sein!“ „Vorsicht! Links!“, rief jemand. Aus den Augenwinkeln erfasste Nicolás ein brennendes Wrackteil, welches zur Seite kippte und geradewegs auf ihn zu fallen drohte. Instinktiv tauchte er unter und wich dabei der direkten Gefahr aus. Er spürte noch ein Brennen am linken Schulterblatt, dann wurde er mit einem kräftigen Griff am rechten Oberarm zur Seite und an die Wasseroberfläche gezogen. „Komm zur Vernunft!“ Rodrigo fasste ihn grob an die Kehle. Mit seiner Linken versuchte Nicolás, sich von Rodrigos Hand an seinem Hals zu befreien, gleichzeitig drehte Andrés ihm jedoch seinen rechten Arm auf den Rücken, bis Nicolás aufstöhnte. Rodrigo kam mit seinem Gesicht so nah an Nicolás‘ heran, dass er seinen Atem spürte. „Beruhige dich! Du machst niemanden lebendig, wenn du dich selbst in Lebensgefahr begibst!“  Nur geringfügig lockerten die beiden ihre Griffe, schleppten ihn aus dem flammenden Chaos heraus. „Falicia!“, hörte er sich flüstern. Damit wurde ihm bewusst, dass seine Frau, sein bester Freund tot waren, sein Zuhause zerstört. Vor seinem geistigen Auge sah er diesen Arm ohne Körper vor sich, an dem blutiges Fleisch, Sehnen und Knochensplitter herausquollen. Er hatte so unwirklich ausgesehen, als sei es ein Requisit aus einem Horrorfilm. Das konnte nicht die Realität sein, wahrscheinlich war das alles nur ein lebhafter Traum. „Mi Amor“, glaubte er Falicia flüstern zu hören. Er dachte an die innigen Küsse, mit denen sie ihn im Krankenhaus begrüßt hatte, an das wohltuende Gefühl, umsorgt zu werden. „Nicolás!“, beförderte ihn eine energische Stimme neben ihm in die Wirklichkeit zurück. Rodrigos Hand war von seiner Kehle verschwunden und Andrés schob ihn zur Schwimmplattform der Yacht seines Vaters. „Bist du in Ordnung?“ „Sí!“, hörte sich Nicolás antworten. Er fühlte sich seltsam, sein eigener Körper war ihm augenblicklich fremd. Mechanisch zog er sich aus dem Wasser, blieb benommen am Rand der Plattform sitzen und starrte fassungslos auf die überall verstreuten Reste der Yacht, welche einmal sein Zuhause gewesen war. Eines der brennenden Wrackteile verglimmte im selben Moment, als sein Blick darauf fiel, und schien mit den seichten Wellen in der Dunkelheit zu verschmelzen. „Das hätte nicht passieren dürfen!“, vernahm er die Stimme seines Vaters über sich. „Heilige Mutter Gottes!“ Sein Vater näherte sich ihm. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Erst jetzt bemerkte er, wie stark er zitterte und wie kalt es ihm war. Sein Vater berührte ihn an den Schultern. „Nicolás? Sieh mich an!“ So sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, sich umzudrehen. „Er wird einen Schock haben!“ Das war Catalinas Stimme. Sie hockte sich neben ihn, ergriff seine Linke und entnahm seinem Zeigefinger einen Blutstropfen. „Don Nicolás? Sehen Sie mich an, por favor!“ Endlich löste er seinen Blick aus der Unendlichkeit, schien aus seiner Starre herauszukommen. Catalina sah ihm prüfend in die Augen. Obwohl er sie vor sich sah, meinte er, sie wäre meilenweit entfernt. Dieses Unglück schien etwas tief Verborgenes in ihm wachzurufen, das ihm den Atem raubte.