21. Januar 2013

Gerrit ist zurück

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Auszug aus dem Kapitel "Dunkelheit"

Gerrit glaubte, sterben zu müssen. Zu beißend war diese bittere Kälte. Er zitterte und fühlte sich so elend wie nie zuvor in seinem Leben. Erst jetzt bemerkte er, dass er seine Hand, ja seinen Körper bewegen konnte. Er griff zu, spürte piepsende Halme zwischen seinen Fingern. Stroh! Er musste wieder in seiner Gefängniszelle sein. Er wollte seine Lippen befeuchten, doch selbst sein Hals schmerzte beim Schlucken. Um sich aufzusetzen und von der Wand das Wasser aufzulecken, war diese Kälte noch zu schmerzhaft. Jede kleine Bewegung kostete sehr viel Kraft. Gerrit war zu müde, zu erschöpft. Er versuchte zu schlafen, wurde mehrmals von seinem eigenen Zittern in die Wirklichkeit gerissen. Vamuns Tortur hatte er mindestens drei Mal durchgestanden, aber seine Empfindungen waren nicht mehr einzuordnen. In einem Moment kam es ihm vor, als sei er vielleicht nur einen Tag im Verlies, im nächsten Augenblick schien es ihm wie die Unendlichkeit. Lag er horizontal oder stand er an der Wand? Sein Kopf fühlte sich winzig an, gleichzeitig riesig, als würde er sofort zerplatzen. Er meinte seine Hände seien auf die doppelte Größe angeschwollen, sein Bauch sei aufgebläht und das Luftholen strengte ihn an. Unter diesen Umständen gelang es ihm nicht, sich auf den Mond zu konzentrieren und damit dieser körperlichen Ebene zu entfliehen.

Der Riegel oben an der Tür, sowie die sich nähernde Schritte unterbrachen diese Stille. Gerrit öffnete die Augen, erwartete den heller werdenden Lichtschein. Doch es war noch immer dunkel. Kam Vamun ohne Fackel hier herunter?
„Wie geht es dem kleinen Gerrit?“ Vamun klang merkwürdig. Noch konnte Gerrit diesen Tonfall nicht zuordnen. Deutlich spürte er seine offenstehenden Augen und noch eindeutiger lauschte er dem Knistern der Fackel, nahm ihren Geruch wahr. Die Erkenntnis, die Gerrit in diesem Augenblick traf, fühlte sich wie ein stumpfer Dolch in seinem Herzen an. Für den Moment blieb ihm die Luft weg.
Er setzte sich auf. „Was habt Ihr getan?“
„Ich helfe dir auf den Weg!“ Vamun hörte sich beinah freundlich an. „Du wirst erst dann wieder sehen, wenn du dich der roten Kraft gegenüber öffnest. Wir beide werden zusammen sehr mächtig werden. Du hast noch keine Vorstellung von dem, was dich erwartet. Du beherrschst den weißen, und wenn du fleißig bist, auch bald die Energie des roten Mondes.“ Ein unbekannter Klang vom Boden folgte. „Hier vor dem Gitter steht dein Mahl. Pass auf, dass du es nicht umstößt.“ Vamuns Schritte entfernten sich.
Vamun hatte ihn nicht nur mit diesen verdammten Steinen gefoltert, er hatte ihm sein Augenlicht genommen. Gerrit standen die Tränen in den Augen. Diese Strafe hatte er nun wirklich nicht verdient. Nur weil er noch Zeit mit seinem Meister herausschinden musste, war er jetzt blind.
Vamun sollte der Blitz treffen!

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